Mittwoch, 1. Juli 2009, 18:30–20:00 Vortrag Hans-Joachim Bieber: Nationalsozialistische Organisationen in Japan 1933-1945

Überall im Ausland, wo größere Zahlen von Deutschen lebten, gründete die NSDAP nach der Machtübernahme in Deutschland, in manchen Fällen schon früher, Ableger: Landesorganisationen, Ortsgruppen und kleinere „Stützpunkte“. Je nach Größe und sozialer Zusammensetzung der deutschen Kolonie entstanden auch Ableger von Unterorganisationen wie NS-Frauenschaft, Hitlerjugend, Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB) und Deutscher Arbeitsfront (DAF).

In Japan entstanden 1933/34 NSDAP-Ortsgruppen in Tokyo-Yokohama und Kobe-Osaka. Ihre Mitgliederzahl war gering, ihr Einfluss auf das Leben der Deutschen in Japan anscheinend zumindest anfänglich beträchtlich, ihr Verhältnis zur Deutschen Botschaft prekär. Denn sie mischten sich vor allem in kulturpolitische Belange ein (eins ihrer Hauptziele war die Vertreibung eines deutschen Dirigenten jüdischer Abstammung, Klaus Pringsheim, eines Schwagers Thomas Manns, aus seiner Professur an der Musikakademie Tokyo); auch kritisierten sie wiederholt das Verhalten von Botschaftsangehörigen. Sie machten dem Missionschef also den Rang als oberster Repräsentant Deutschlands in Japan streitig; am Ende freilich erfolglos.

Eine nicht unwichtige Rolle spielte auch die japanische Landesgruppe des NSLB, insbesondere unter den rund 40 deutschen Lektoren, die damals an japanischen Kōtōgakkō (Eliteoberschulen) tätig waren. Nicht alle, die ihr beitraten, waren überzeugte Nationalsozialisten, die Obleute aber ohne Zweifel. Zwei von ihnen gelangten in Leitungsfunktionen der beiden deutsch-japanischen Kulturinstitute, die es in den 30er Jahren gab, Walter Donat im Japanisch-Deutschen Kulturinstitut in Tokyo, Hans Eckardt im 1934 gegründeten Deutschen Forschungsinstitut in Kyoto. (Donat machte ab 1941 in Deutschland Karriere – auch in der SS – und brachte es in den letzten Kriegsjahren zum wichtigsten Funktionär japanbezogener Kultur- und Wissenschaftspolitik.) Zwischen 1938 und 1945 wirkte als Propagandist des Nationalsozialismus in Japan auch ein ehemaliger Mitarbeiter Ribbentrops, Graf Dürckheim, später einer der ersten Zen-Lehrer der Bundesrepublik.

In den Kriegsjahren haben die NS-Organisationen nur noch wenige Spuren in Japan hinterlassen. Für wie wichtig man sie in Berlin aber immer noch hielt, zeigt sich daran, dass 1943 ein neuer Führer der Landesgruppe per U-Boot nach Japan geschickt wurde.
Die Quellenlage zu diesem Thema ist insgesamt dürftig. Zumindest in Grundzügen aber lässt sich die Geschichte der nationalsozialistischen Organisationen in Japan wohl rekonstruieren. Für jeden Hinweis auf möglicherweise bisher übersehene Quellen ist der Vortragende dankbar.
H.-J. B

Hans-Joachim Bieber, geb. 1940 in Hamburg; Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie. Promotion in Neuer Geschichte 1976, Habilitation 1987. 1977-94 in diversen Funktionen im Bereich der Hochschulplanung tätig, u.a. in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates. 1994-2005 Prof. für Neue Geschichte und Geschäftsführer des Wissensschaftlichen Zentrums für Kulturforschung an der Universität Kassel.