Mittwoch, 15. April 2009, 18:30–20:00 Gabriele Vogt: „Weniger Japaner, mehr Ausländer? Der demographische Wandel und Japans neue Zuwanderungspolitik“ Fällt aus, wird nachgeholt!

Weniger Japaner, mehr Ausländer?
Der demographische Wandel und Japans neue Zuwanderungspolitik

Ändern sich Japans demografische Variablen nicht grundlegend, werden Überalterung und Schrumpfen der Bevölkerung voranschreiten. Für Politiker und Wirtschaftsvertreter besonders aufrüttelnd sind die vorausgesagten Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt. Es ist vor diesem Hintergrund, dass derzeit eine grundlegende Revision der nationalen Zuwanderungspolitik in Betracht gezogen wird.
Dennoch, der politische Diskurs zum Thema ist geprägt von einem Schlagwort: „Krise“. Einmal wird die fehlende Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland als Krise begriffen, als Krise für die japanische Wirtschaft, insbesondere für einzelne Sektoren, wie den Servicebereich und die herstellende Industrie, wo schon heute ein Arbeitskräftemangel herrscht. Zum anderen wird eine eventuell aktivere Zuwanderungspolitik ebenfalls als Krise begriffen. Als Krise für die öffentliche Ordnung und nationale Sicherheit Japans, denn steigende Ausländerzahlen setzt die öffentliche Meinung noch immer mit erhöhter Kriminalität gleich.
Dieser kontroverse Diskurs um die zukünftige Ausgestaltung der japanischen Zuwanderungspolitik wird anhand der Entstehungsgeschichte eines neuen Systems von Pflegemigration exemplarisch dargestellt. Bilaterale Abkommen zwischen Japan und den Philippinen (2006) bzw. Indonesien (2007) ermöglichen die Arbeitsmigration von bis zu 1.000 Pflegekräften pro Land pro Jahr nach Japan. Zwar sind die Zahlen von neuen Arbeitsmigranten (noch) marginal, doch wird in diesen Verträgen bereits deutlich, dass Japan seine Zuwanderungspolitik grundlegend revidiert: statt ausschließlich Hochqualifizierte heißt Japan nun Arbeitnehmer/-innen mit Berufsausbildung willkommen; die bisherige Aufenthaltsgrenze von fünf Jahren fiel ersatzlos.
Japan befindet sich an einem Scheideweg. Die Alternativen lauten: Öffnung der Grenzen und den Anschluss an sich internationalisierende Arbeitsmärkte halten oder aber Abschottung und den Anschluss verlieren. Durch qualitative und teils quantitative Analysen des gegenwärtig in Japan geführten Diskurses zur Zuwanderungspolitik gibt der Vortrag Einblicke in die Abwägung dieser Alternativen.

Gabriele Vogt, Dr. phil. (2002) an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über die Renaissance der Friedensbewegung in Okinawa (Iudicium, 2003), war Postdoktorandin an der Cornell University und der University of the Ryukyus, bevor sie 2005 eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Politikwissenschaft) am Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) antrat. Am DIJ leitet sie die Sozialwissenschaftliche Abteilung. Sie ist darüber hinaus Lektorin für Politikwissenschaft an der Sophia Universität. Ihre Forschungsinteressen umfassen Japans demografischen Wandel, internationale Migration und Fragen der politischen Partizipation. Kürzlich sind erschienen: (2008) Florian Coulmas, Harald Conrad, Annette Schad-Seifert und Gabriele Vogt (Hg.): The Demographic Challenge. A Handbook on Japan. Leiden: Brill. (2007) Gabriele Vogt: Closed Doors, Open Doors, Doors Wide Shut? Migration Politics in Japan. In: Japan Aktuell. Journal of Current Japanese Affairs. 5/2007. S. 3-30.