Mittwoch, 23. Juni 2010, 19:30–21:00 Gesprächsabend mit Kurt Majunke und Kenichi Shimizu: „Lage des Staatshaushalts in Japan und anstehende finanzpolitische Herausforderungen“

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Die Regierungsparteien hatten seinerzeit im Wahlkampf zahlreiche tiefgreifende Änderungen in der politischen Ausrichtung Japans angekündigt. Die Umsetzung dieser Ankündigung vermittels des Staatshaushalts („Politik in Zahlen“) ist allerdings bislang noch nicht recht zu erkennen. Dies gilt für den im Januar diesen Jahres verabschiedeten zweiten Nachtragshaushalt zum Haushalt 2009/2010 zur Finanzierung des Konjunkturpakets im Volumen von rd. 7,2 Bio Yen. Er setzte – ohne grundlegende Neuausrichtung – faktisch auf dem noch von der Vorgängerregierung Aso verantworteten Haushalt (einschließlich des 1. Nachtragshaushalts) auf, in nur geringem Umfang wurden neue Mittel eingestellt (84,6 Mrd. Yen). Mit dem Staatshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2010/2011 ist eine neue Akzentsetzung auch erst nur in Ansätzen erkennbar. Der laufende Haushalt (92,3 Bio. Yen) übersteigt den des Vorjahres um 4,2%-Punkte, die Mehrausgaben dienen der Umsetzung der im Wahlkampf-programm der DPJ („Manifesto“) angekündigten Maßnahmen insbesondere zur Entlastung der Familien. Eine grundlegende Neuausrichtung ist nicht zu erkennen. Auf die zunehmend dringlicher werdenden Fragen zu einer Finanzierung der künftigen Staatshaushalte ohne weiter steigende Kredit-aufnahme ist eine Antwort bislang ausgeblieben. Die Steuereinnahmen verzeichnen unverändert ein „negatives Wachstum“. Der laufende Haushalt muss zu 48% über Kredite finanziert werden. Das Steueraufkommen trägt nach den Haushaltsansätzen nur noch zu rd. 40,5% zur Haushaltsfinanzierung bei. Da nach den neuesten Angaben – endgültige Zahlen stehen noch aus – die Steuereinnahmen hinter diesen Annahmen zurückbleiben dürften, verschärft sich die Haushaltslage. Mit dem laufenden Haushalt beläuft sich die Staats-verschuldung auf 181% des BIP. Für Ende Juni 2010 hat die japanische Regierung zugesagt, eine mittelfristige Finanzplanung für den Zeitraum von drei Jahren vorzulegen. Im Zusammenhang damit könnte dann auch erkennbar werden, ob und in welchem Umfang eine grundlegende Steuerreform in Angriff genommen wird. Eine nachhaltige Verbesserung der Einnahmeseite durch steuerliche Maßnahmen erscheint unvermeidlich. Die bislang noch problemlose Mittelaufnahme zu niedrigen Zinsraten im wesentlichen auf dem heimischen Markt könnte mittelfristig schwieriger werden. Dies gilt sowohl für die Nachfrage der privaten Haushalte (Einkommensentwicklung, Altersstruktur) als auch die der privaten Unternehmen.

Kurt Majunke, Jurist. Seit 1981 als Beamter im Bundesministerium der Finanzen in verschiedenen Arbeitsbereichen tätig, ab 1992 als Referatsleiter in der Abt. VII (Finanzmarktpolitik) in verschiedenen Referaten (u.a. Bankenwesen, Investmentwesen, Grundsatzfragen der Europäischen Finanzmarktintegration).

Nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaft an der Universität Tokyo studierte Kenichi Shimizu Wirtschaftswissenschaft an der Universität London, die er 2002 als Master of Science in Financial Economics abschloss. Dann war er im Rahmen eines Promotionsstudiums an der Technischen Universität Braunschweig forschend im Bereich der Mathematischen Statistik tätig. Zur Zeit ist Herr Shimizu stellvertretender Referatsleiter für Parlament- und Kabinettangelegenheiten sowie Öffentlichkeitsarbeit.

Moderiert wird dieser Gesprächsabend von Lars Nicolaysen. Er begann seine journalistische Karriere als Reporter bei mehreren deutschen Lokalzeitungen, studierte Japanisch an der Universität Hamburg, bevor er 1994 Büroleiter der deutschen Finanznachrichtenagentur vwd in Tokyo wurde. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland holte ihn die Deutsche Presse-Agentur dpa als Redakteur in die Europaredaktion nach Hamburg. Seit 13 Jahren ist er nun Leiter des Korrespondentenbüros der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tokyo.