Mittwoch, 9. März 2016, 18:30–20:00 5 Jahre Wiederaufbau: Eine vorläufige Bilanz – Gesprächsabend anlässlich des 5. Jahrestags der Dreifachkatastrophe in Tōhoku. Mit Prof. Dr. Christian Dimmer und Lars Nicolaysen

Seit die Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami sowie nuklearem Störfall im Atomkraftwerk Fukushima den weitgehend ländlich-geprägten Nordosten Japans am 11. März 2011 verwüstete, sind 5 Jahre vergangen.

Obwohl die Regierung umfangreiche finanzielle und organisatorische Mittel zur Verfügung gestellt hat, und ein Heer von ehrenamtlichen Helfern sowie von Verwaltungsexperten aus dem ganzen Land unermüdlich in den betroffenen Gemeinden arbeitete, verläuft der Wiederaufbau schleppender als von vielen Beobachtern und Bewohnern der Katastrophenregion angenommen. Sah es anfangs noch so aus, als ob das Ausmaß der Zerstörungen und der nationalen Krise einen breiten gesellschaftlichen und politischen Wandel einleiten könnte, so ist von dieser Aufbruchsstimmung wenig geblieben. Integrierte Visionen von neuen, besseren, nachhaltigeren Städten, die mit den Planungsfehlern der Vergangenheit brechen würden, lösten sich schnell in einer Ansammlung von unkoordinierten Einzelaufbaumaßnahmen auf und der bloßen Wiederherstellung von zerstörten Infrastruktureinrichtungen wie Häfen, Straßen, Bahnstrecken oder Deichen.

Sinnbildlich für den fehlgeleiteten Wiederaufbau sind die riesigen Betonwände, die entlang von 400 Kilometern, teil malerischer pazifischer Küste entstehen, um die Menschen vor zukünftigen Tsunamis zu schützen. Obwohl diese enorme finanzielle Mittel zur Herstellung erfordern, bieten sie doch keine absolute Sicherheit, zerstören das symbiotische Verhältnis von Fischereisiedlungen und Meer, beinträchtigen das Landschaftsbild, schaden dadurch dem Tourismus, erfordern langfristig enorme Unterhaltungsleistungen von zukünftigen Generationen und sind oftmals gegen große Teile der Bevölkerung geplant und errichtet worden.

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Diese offene Diskussionsrunde zieht eine Bilanz von 5 Jahren Wiederaufbau. Warum werden manche Städten schneller wiederhergestellt als andere? Warum leben immer noch zehntausende Menschen in temporären Unterkünften? Welche Projekte und Initiativen liefern neue, interessante Ansätze, um betroffene Gemeinden krisenfester zu machen für demographischen und wirtschaftlichen Strukturwandel, der die Region bereits vor der Katastrophe bedrohte?

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Christian Dimmer, PhD Studium der Raum- und Umweltplanung an der Technischen Universität Kaiserslautern. Assistenzprofessor für Städtebau an der Universität von Tokyo. Als Post-Doktorand und Stipendiat der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) war er Mitarbeiter am interdisziplinären Fachbereich ‚Interfaculty Initiative in Information Studies’ der Universität Tokyo und forschte über „die Politik des öffentlichen Raums“. Er ist Mitbegründer der Tokyoter Ortsgruppe der Hilfsorganisation „Architecture For Humanity“ wie auch des „Tohoku Planning Forum“ und unterrichtet Kurse in Nachhaltigem Städtebau, Theorie des öffentlichen Raums, Metropolen im Globalisierungsprozess sowie Planungstheorie an der Waseda Universität sowie der Sophia Universität.

Lars Nicolyasen leitet seit 1997 das Korrespondentenbüro der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tokyo. Er reiste bereits unmittelbar nach Beginn der Dreifach-Katastrophe in die betroffenen Gebiete, um über das Schicksal der Überlebenden vor Ort zu berichten. Seither reist Nicolaysen jedes Jahr zu weiteren Recherchen nach Tōhoku, spricht mit den Opfern und verfolgt den schwierigen Wiederaufbau der Tsunami-Region genauso wie die Lage in den radioaktiv verstrahlten Gebieten um das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. So bekam er kurz vor dem 5. Jahrestag Zugang in die Atomruine, traf Flüchtlinge und sprach mit Menschen, die sich in den Tsunami-Gebieten ein neues Leben aufbauen wollen. Er ist Medienbeauftragter der OAG.