OAG Taschenbuch Nr. 094 Rolf-Harald Wippich (2012) Ein Husar in Ostasien Theodor von Holleben als Diplomat und Kolonialfunktionär in China und Japan

Ein Husar in Ostasien Theodor von Holleben als Diplomat und Kolonialfunktionär in China und Japan
124 Seiten
Deutsch
Iudicium Verlag München
2012
8 €

Der Wandel in der materiellen Kultur durch den Einfluß der Verwestlichung Japans in der frühen Meiji-Zeit brachte die Notwendigkeit mit sich, neu eingeführte Objekte rational zu erklären und in den Rahmen des eigenen, traditionellen Weltbildes einzufügen. Egal wie normal und selbstverständlich diese Objekte für uns alle heutzutage sind, es gab natürlich eine Zeit, in der sie neu und erstaunlich in den Augen der Japaner waren. Die Notwendigkeit, mit diesen Gegenständen einer anderen kulturellen Sphäre klar zu kommen, forderte zwangsläufig die bisher allgemeingültige, geistige Haltung heraus und initiierte oftmals auch deren Wandel – was wiederum in einer Adaption und Redefinition der eigenen kulturellen Tradition resultierte.

Es war und ist eine normale, menschliche Reaktion, fremde Dinge in vertraute Konzepte und Wertsysteme zu integrieren, um nicht von deren schierer Unbegreiflichkeit überwältigt zu werden. Eines der grundlegenden Probleme des menschlichen Geistes überall auf der Welt ist daher, sich selbst bedeutungstragend im ewig fortschreitenden Lauf der Zeit zu positionieren, was bewirkt, daß Leute bei der Konfrontation mit neuen Fragen und Problemen in deren Rationalisierung dazu tendieren, auf vertraute, ‚traditionelle‘ Antworten zurückzugreifen. Der Sozialphilosoph Hermann Lübbe beschreibt dieses Phänomen treffend, indem er sagt: „Die Leistungen des historischen Bewußtseins sind Leistungen zur Kompensation eines änderungstempobedingten kulturellen Vertrautheitsschwundes.“

Diese Art eines raschen, ‚kulturellen Vertrautheitsschwundes‘ im Morgengrauen der Meiji-Zeit – ausgelöst zu weiten Teilen durch den unkontrollierbaren Zustrom unvertrauter westlicher Gedanken und Waren – erzeugte ein spezifisches ‚historisches‘ und auch nationalistisches Bewußtsein davon, was ‚japanisch‘ ist. Es löste das Verlangen aus, an der eigenen ‚traditionellen, geistigen Kultur‘, im Gegensatz zur westlichen Kultur, festzuhalten, welche in diesem Zusammenhang meist als rein materiell und daher unterlegen angesehen wurde. Es war ein Verlangen, das von vielen Japanern in der frühen Meiji-Zeit geteilt wurde, als sie mit teilweise Ehrfurcht auslösenden und auf den ersten Blick unvorstellbaren, neuen, fremden Dingen konfrontiert waren.

Ein Beispiel dieses komplexen Prozesses mit seiner unterschwellig antagonistischen Sicht von ‚Tradition‘ gegen ‚Moderne‘, ist Iida Takesatos 飯田武郷 (1828–1900) kurzer Essay zur neu eingeführten elektrischen Lampe, Denkitō 電氣燈 , geschrieben in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit.

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